Bettina Schläwe
Wer darüber nachdenkt, sich selbständig zu machen, muss viele Aspekte berücksichtigen – von der Entwicklung des Gesundheitsmarktes im Allgemeinen über das finanzielle Risiko einer Existenzgründung bis hin zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie und der potenziellen Wirtschaftskraft der Praxis.
Der Gesundheitsmarkt – Wachstumsmarkt mit Zukunft
Der Gesundheitsmarkt ist und bleibt ein Wachstumsmarkt. Treiber sind unter anderen der demografische Wandel, die Digitalisierung, der medizinisch-technische Fortschritt und die steigende Morbidität der Versicherten. Aber auch ein gesteigertes Gesundheitsbewusstsein führt dazu, dass Patienten mehr Leistungen in Anspruch nehmen und verstärkt in Angebote des sekundären Gesundheitsmarktes investieren. In der Zahnbehandlung sind Selbstzahlerleistungen in großen Teilen der Bevölkerung vollkommen akzeptiert: Im Durchschnitt übersteigen die privat liquidierten Einnahmen der Zahnärztinnen und Zahnärzte die Einnahmen aus der Gesetzlichen Krankenversicherung. Die Nachfrage nach Selbstzahlerleistungen wird weiter zunehmen. Zudem werden Mundgesundheit und Prävention immer wichtiger und verstärkt auch als gesamtgesellschaftliche Aufgabe angesehen. Dies spiegelt sich unter anderem in den gesetzlichen Vorhaben wider: Die zahnmedizinische Versorgung von Menschen in Pflegeheimen ist ausgebaut und gestärkt worden.
Die Selbständigkeit – Vorbehalte bremsen Existenzgründer
Trotz dieser positiven Rahmenbedingungen macht der Trend zur Anstellung auch vor der Zahnärzteschaft nicht halt: Die Zahl der in Praxen und Z-MVZ angestellten Zahnärztinnen und Zahnärzte hat sich von rund 5.000 im Jahr 2010 auf 13.800 Ende 2018 mehr als verdoppelt.
Woher kommt dieser Trend? Warum gehen immer mehr junge Zahnärztinnen und Zahnärzte in die Anstellung? Antworten auf diese Fragen gibt die Studie „Chance Niederlassung“, die die Deutsche Apotheker- und Ärztebank (apoBank) unter mehr als 400 angestellten und selbständigen Heilberuflerinnen und Heilberuflern (Medizin, Zahn- und Tiermedizin, Pharmazie) durchgeführt hat.
Demnach sehen viele angestellte Heilberufler sehr wohl Vorteile in der Selbständigkeit – jedoch komme diese für die Befragten nur unter veränderten Voraussetzungen in Betracht. Hierzu zählen unter anderem ein geringeres finanzielles Risiko (77 Prozent) und die bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie (56 Prozent). Doch sind diese Hürden tatsächlich so hoch wie angenommen?
Das finanzielle Risiko – Echtes Hindernis oder grundloser Vorbehalt?
Wer eine Praxis übernimmt oder neu gründet, sieht sich zunächst mit hohen Investitionen konfrontiert. In der Regel müssen für den Traum von der eigenen Praxis je nach Praxisform zwischen 300.000 und 500.000 Euro in die Hand genommen werden. Doch hohe Investitionen sind nicht gleichbedeutend mit einem hohen Risiko. Entscheidend für den Erfolg der eigenen Praxis sind vielmehr eine gute Vorbereitung und Planung.
Entsprechend führt die apoBank bei jeder Existenzgründung eine umfassende Investitions- und Kostenberatung (INKO) durch. Hierbei wird geklärt: Was ist möglich und was ist nötig, um den Erfordernissen einer Selbständigkeit Rechnung zu tragen? Zu Beginn werden dabei alle geplanten Investitionen und Kosten aufgeschlüsselt – von Personal- und Materialkosten bis hin zu Raummieten und privaten Ausgaben. Auf dieser Basis ermitteln Zahnarzt/Zahnärztin und Berater/Beraterin schließlich gemeinsam, welcher Mindestumsatz dauerhaft erzielt werden muss, damit die eigene Praxis rentabel ist. Möglicherweise muss in dieser Phase an der ein oder anderen Stellschraube gedreht oder eine Investition zurückgestellt werden, damit das Vorhaben wirtschaftlich auf gesunden Füßen steht. Wenn der Plan aber erstellt und betriebswirtschaftlich fundiert ist, ist das wirtschaftliche Risiko überschaubar.
Dass die Finanzierung eine weniger große Herausforderung ist als zunächst angenommen, bestätigen auch die Studienergebnisse der apoBank. So haben 31 Prozent der heute selbständigen Heilberuflerinnen und Heilberufler die Finanzierung der Praxis im Vorfeld der Existenzgründung als große Hürde gesehen; im Nachhinein waren es deutlich weniger.
Hindernisse bei der Existenzgründung.
Unterschiedliche Wahrnehmung vor und nach Existenzgründung
Grafik aus der Studie: „Chance Niederlassung“ der apoBank
Die Kooperation – Gute Aussichten für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie
Die Ergebnisse der Studie „Chance Niederlassung“ zeigen zudem, dass auch softe Faktoren wie die Vereinbarkeit von Familie und Beruf oder die Arbeitszeitgestaltung in den Augen der Angestellten gegen die Selbständigkeit sprechen. Und das obwohl sich Beruf und Familie auch in der Niederlassung miteinander vereinbaren lassen. Der Schlüssel kann eine Kooperation oder eine Teilzulassung sein. Problematisch ist jedoch, dass jeder Vierte diese Optionen der Berufsausübung nicht im Detail kennt und sie damit auch bei der Entscheidung nicht berücksichtigt. Wer aber über den Schritt in die Selbständigkeit nachdenkt, sollte gemeinsam mit Experten diskutieren, welche Kooperationsmodelle bestehen und welches davon am besten geeignet ist, um die persönlichen Wünsche und Ziele zu realisieren.
Schließlich kann die Selbständigkeit Freiräume und Unabhängigkeit schaffen, die sich ein eigener Chef oder eine eigene Chefin nach seinen bzw. ihren Bedürfnissen formt. Neben der Chance, in einer Kooperation frei zu arbeiten, ist diese Form der Berufsausübung auch wirtschaftlich sinnvoll.
Die wirtschaftliche Situation – Positiv in die Zukunft
Trotz vielfacher Diskussion über schlechte Honoraraussichten ist die wirtschaftliche Situation der Niedergelassenen insgesamt solide und deutlich attraktiver als die der Angestellten.
Hinzu kommt, dass Zahnärztinnen und Zahnärzte ihre Einkommenssituation aktiv gestalten können. Schon die Niederlassungsform entscheidet mit über spätere Verdienstmöglichkeiten. So bieten beispielsweise Kooperationen einen interessanten Hebel, um Kosten zu senken und den Überschussanteil der Praxis zu steigern. Das zeigt sich, wenn man den Überschussanteil einer Einzelpraxis mit dem einer Berufsausübungsgemeinschaft (BAG) mit zwei Inhabern vergleicht: Hier wird schnell ersichtlich, dass der Überschuss je Inhaber/in in einer Einzelpraxis und einer 2-er BAG annähernd gleich ausfällt. Schaut man sich die Zahlen genauer an, ist folgendes erkennbar:
- Die Praxiseinnahmen in der BAG sind pro Inhaber/in geringer
- die Arbeitszeit pro Inhaber/in wird geringer sein
- die Kosten pro Inhaber/in sind geringer
Dadurch kommt es zu einem höheren Überschussanteil.
Werte je Inhaber | Einzelpraxis | 2er-BAG | ||
KZV-Einnahmen | 294.100 € | 49 % | 246.900 € | 45 % |
sonst. Einnahmen (inkl. PKV) | 311.900 € | 51 % | 304.900 € | 55 % |
Praxiseinnahmen | 606.000 € | 100 % | 551.800 € | 100 % |
Personalkosten | 164.300 € | 27 % | 157.500 € | 28 % |
Raumkosten | 26.600 € | 4 % | 20.900 € | 4 % |
Fremdlabor (M+L) | 97.200 € | 16 % | 73.900 € | 13 % |
Laborkosten / Material | 35.600 € | 6 % | 38.700 € | 7 % |
AfA | 22.700 € | 4 % | 15.400 € | 3 % |
Zinsen | 6.900 € | 1 % | 3.500 € | 1 % |
Sonstige Kosten | 69.600 € | 12 % | 58.900 € | 11 % |
Praxiskosten | 422.900 € | 70 % | 368.800 € | 67 % |
Überschuss | 183.100 € | 30 % | 183.000 € | 33 % |
Einnahmen-/Kostenstrukturanalyse Zahnärzte 2018,Quelle: apoBank 2020
Die Planung – Mit Konzept zum Erfolg
Die Fakten zeigen: Die Niederlassung in eigener Praxis ist und bleibt wirtschaftlich attraktiv. Vorausgesetzt, die Selbständigkeit wird optimal vorbereitet: angefangen bei einer genauen Analyse der Investitionen und fortlaufenden Kosten über das Finanzierungskonzept bis hin zur Praxisstruktur. So werden potenzielle Risiken von Beginn an eingegrenzt und die Praxis kann ihr volles wirtschaftliches Potenzial entfalten.
Chancen der Selbständigkeit
90 Prozent der selbständigen Heilberuflerinnen und Heilberufler würden sich wieder für die Selbständigkeit entscheiden. Als ein großes Plus für die Selbständigkeit empfinden 90 Prozent der Niedergelassenen die Gestaltungsmöglichkeiten in der Praxis, 83 Prozent die Möglichkeit der Selbstverwirklichung und 72 Prozent die eigene Arbeitszeitgestaltung. Auch die Einkommenssituation (66 Prozent), das Aufgabenspektrum (65 Prozent) und die Aussicht auf ein enges Verhältnis zum Patienten (64 Prozent) beeinflussten die Entscheidung zugunsten der Selbständigkeit.
Auch angestellte Heilberuflerinnen und Heilberufler sehen Vorteile in der Selbständigkeit und untermauern die Einschätzung der Selbständigen: Sie schreiben der Selbständigkeit mehr Gestaltungsmöglichkeiten und Freiheitsgrade (79 Prozent) zu. Auch die Einkommenssituation (66 Prozent) sowie die Arbeitszeitgestaltung (45 Prozent) sprechen in ihren Augen für die Selbständigkeit.