Mit dem Gesetz zur Modernisierung der Gesetzlichen Krankenversicherung im Jahr 2004 schuf der Gesetzgeber die Rahmenbedingungen für die elektronische Gesundheitskarte (eGK) und setzte zugleich den Grundstein für die Digitalisierung des deutschen Gesundheitswesens.
Die Einführung und Weiterentwicklung der eGK sowie die Schaffung der zu ihrer Nutzung erforderlichen Informations-, Kommunikations- und Sicherheitsinfrastruktur – kurz: Telematikinfrastruktur – wurde der gematik GmbH (ursprünglich: gematik – Gesellschaft für Telematikanwendungen der Gesundheitskarte mbH) gesetzlich aufgetragen.
Eine der Hauptaufgaben der gematik GmbH ist die Definition rechtsverbindlicher Standards und Spezifikationen für alle Komponenten und Dienste, die in der Telematikinfrastruktur verwendet werden, um deren Funktionalität, Kompatibilität und Sicherheit zu gewährleisten und damit sie von allen Akteuren im Gesundheitswesen genutzt werden können. Die gematik GmbH entscheidet in diesem Zusammenhang auch über die Zulassung von Komponenten und Diensten.
Die Telematikinfrastruktur als solches bildet die technische und organisatorische Grundlage für die Vernetzung sämtlicher Akteure des deutschen Gesundheitswesens. Sie ermöglicht einen interdisziplinären Datenaustausch und unterstützt die verschiedenen Anwendungen der eGK sowie weitere interoperable und kompatible Anwendungen.
Mit dem Gesetz zum Schutz elektronischer Patientendaten in der Telematikinfrastruktur
(Patientendatenschutzgesetz) hat der Gesetzgeber in § 306 SGB V die Telematikinfrastruktur erstmals legaldefiniert. Demnach umfasst die Telematikinfrastruktur
1. eine dezentrale Infrastruktur, bestehend aus Komponenten zur Authentifizierung und zur sicheren Übermittlung von Daten in die zentrale Infrastruktur,
2. eine zentrale Infrastruktur, bestehend aus sicheren Zugangsdiensten als Schnittstelle zur dezentralen Infrastruktur und einem gesicherten Netz einschließlich der für den Betrieb notwendigen Dienste sowie
3. eine Anwendungsinfrastruktur, bestehend aus Diensten für die Anwendungen nach dem Elften Kapitel SGB V.
Die in der Zahnarztpraxis für eine Anbindung an die Telematikinfrastruktur vorzuhaltenden Komponenten sind der dezentralen Infrastruktur zuzuordnen. Für eine Anbindung an die Telematikinfrastruktur werden ein Router mit einem speziellen Funktionsumfang und einem erhöhten Sicherheitsniveau (der sog. Konnektor), ein eHealth-Kartenterminal, ein Praxisausweis in Form einer Smart Card (ähnlich der SIM-Karte von Mobiltelefonen), der sog. SMC-B, sowie ein sicherer Zugangsdienst (VPN-Zugangsdienst) benötigt. Für den Einsatz der SMC-B sowie zur Nutzung sämtlicher Funktionen bzw. künftiger Anwendungen der Telematikinfrastruktur und der eGK ist zusätzlich ein elektronischer Heilberufsausweis erforderlich.
Hinsichtlich der Anschaffung des Konnektors und eines bzw. mehrerer Kartenterminals sowie des VPN-Zugangsdienstes empfiehlt sich die Rücksprache mit dem Hersteller der Zahnarzt-Praxis-Software, da für den Anschluss an die Telematikinfrastruktur ggf. auch Anpassungen daran erforderlich sind.
Die SMC-B als elektronischer Praxisausweis authentisiert die Zahnarztpraxis gegenüber der Telematikinfrastruktur und der eGK. Mit ihrer Hilfe können u. a. besonders geschützte Daten auf der eGK ausgelesen werden. Die SMC-B wird über die zuständige KZV bei einem dafür von der KZBV zugelassenen Anbieter online beantragt.
Die Beantragung des elektronischen Heilberufsausweises für Zahnärztinnen und Zahnärzte (eZahnarztausweis) erfolgt über die jeweils zuständige Zahnärztekammer.
Zur Erstattung der mit der Anschaffung und dem laufenden Betrieb der vorgenannten Komponenten und Dienste einhergehenden Kosten hat die KZBV mit dem GKV-SV (Spitzenverband Bund der Krankenkassen) eine sog. Grundsatzfinanzierungsvereinbarung im Bundesmantelvertrag geschlossen. Diese regelt in Abhängigkeit von der Praxisgröße, in welchem Umfang die Ausstattung von Praxen refinanziert wird. Für die erstmalige Ausstattung haben Zahnärzte Anspruch auf eine „Erstausstattungspauschale“, deren Auszahlung über die KZV beantragt wird. Daneben besteht auch ein Anspruch auf eine „Betriebskostenpauschale“, die die laufenden Kosten für den Betrieb von Komponenten bzw. für das Vorhalten der für die Nutzung von Anwendungen erforderlichen Voraussetzungen decken soll. Die aktuelle Fassung der Grundsatzfinanzierungspauschale sowie die aus deren Folgevereinbarung hervorgegangenen Änderungen können den Anlagen 11 und 11a des Bundesmantelvertrags Zahnärzte (BMV-Z) entnommen werden.
Anwendungen
Die Pflicht zur Anbindung an die Telematikinfrastruktur folgt für Vertragszahnärzte aus dem Umstand, dass bestimmte Anwendungen der Telematikinfrastruktur in den Praxen ermöglicht bzw. genutzt werden müssen und die Praxen hierfür die erforderlichen Voraussetzungen zu schaffen haben. Zu den wichtigsten bereits genutzten bzw. noch in Planung befindlichen Anwendungen gehören insbesondere folgende Anwendungen:
Versichertenstammdatenmanagement (VSDM)
Als erste Anwendung der Telematikinfrastruktur wurde das Versichertenstammdatenmanagement (VSDM) eingeführt, mittels dem die auf der eGK gespeicherten Versichertenstammdaten mit den bei der zuständigen Krankenkasse gespeicherten Stammdaten abgeglichen und gegebenenfalls aktualisiert werden. Der Abgleich erfolgt automatisch beim Einlesen der eGK über das eHealth-Kartenterminal. Eine Aktualisierung der bei den Krankenkassen gespeicherten Stammdaten ist über das VSDM nicht möglich. Etwaige Änderungen der Stammdaten müssen Versicherte ihrer zuständigen Krankenkasse daher weiterhin selbst mitteilen. Nach den geltenden gesetzlichen Vorgaben muss in allen Arzt- und Zahnarztpraxen das VSDM durchgeführt werden. Im Falle der Nichtdurchführung des VSDM droht den Praxen – gemäß § 291 Abs. 2b S. 14 SGB V – so lange ein pauschaler Honorarabzug in Höhe von 2,5 %, bis die Praxen das VSDM durchführen.
Elektronischer Medikationsplan (eMP)
Mit der Anwendung „Elektronischer Medikationsplan“ (eMP) kann auf Wunsch von Patientinnen und Patienten ein elektronischer Medikationsplan auf der eGK gespeichert werden, welcher Medikationsdaten und weitere medikationsrelevante Informationen der Versicherten enthält und den an der Behandlung beteiligten Einrichtungen zur Verfügung stellt. Bei der Verordnung eines zusätzlichen Medikamentes kann mittels der sog. Arzneimitteltherapie-Sicherheitsprüfung (AMTS), welche u.a. eine Datenbank auf bekannte Neben- und Wechselwirkungen überprüft, die zahnärztliche Risikoabwägung technisch unterstützt werden.
Notfalldatenmanagement (NFDM)
Die eGK bietet die Möglichkeit zur Speicherung eines sog. Notfalldatensatzes. Dieser beinhaltet wichtige Informationen zu Medikationen, Allergien und Unverträglichkeiten, aber auch zu medizinischen Diagnosen sowie wichtige Kontaktdaten. Sinn und Zweck des NFDM ist es, in Notfallsituationen schnell und sicher auf Informationen zugreifen zu können, um einen ungünstigen Krankheits- oder Behandlungsverlauf abzuwenden. Außerdem können diese Informationen auch in der regulären Behandlungssituation, z. B. im Rahmen der Patientenanamnese, zusätzliche Hilfestellung bei der Diagnose- und Therapiefindung bieten.
Kommunikation im Medizinwesen (KIM)
Bei KIM (Kommunikation im Medizinwesen) handelt es sich um einen sicheren E-Mail-basierten Dienst, über den in einem geschlossenen Nutzerkreis im Gesundheitswesen Daten wie insbesondere medizinische Dokumente und Arztbriefe unter Verwendung einer sog. „Ende-zu-Ende“-Verschlüsselung ausgetauscht werden können.
Für Zahnarztpraxen wird KIM mit Einführung der elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU) deutlich an Relevanz gewinnen, da die eAU nach der ursprünglichen gesetzgeberischen Konzeption ab dem 1. Januar 2021 von jeder Zahnarztpraxis verpflichtend zu unterstützen und ab diesem Zeitpunkt elektronisch – über den KIM-Dienst – von der Praxis an die Krankenkasse des oder der Versicherten zu übermitteln ist. Aufgrund fehlender technischer Voraussetzungen aufseiten der Krankenkassen wird die Einführung der eAU in Abstimmung mit dem BMG (Bundesministerium für Gesundheit) jedoch erst zum 1. Oktober 2021 erfolgen.
Die Einführung des elektronischen Beantragungs- und Genehmigungsverfahrens (EBZ) für sämtliche zahnärztliche Formulare im Laufe des Jahres 2022 ist ein weiterer praxisrelevanter Anwendungsfall. Unter Nutzung von KIM erfolgt dabei sowohl die Übermittlung von Anträgen, wie beispielsweise dem Heil- und Kostenplan (HKP), an die Krankenkassen elektronisch als auch die Rückübermittlung deren Genehmigung an die Zahnarztpraxis.
Elektronische Patientenakte (ePA)
Seit dem 1. Januar 2021 stellen die gesetzlichen Krankenkassen ihren Versicherten eine elektronische Patientenakte (ePA) zur Verfügung, mittels derer Versicherte wichtige Diagnose- und Behandlungsdaten für einen interdisziplinären Austausch aller an der Behandlung Beteiligten verfügbar machen können. Dabei liegt die Datenhoheit bei den Versicherten, d. h. der oder die Versicherte entscheidet über die Nutzung der ePA und darüber, wer die Dokumente in der ePA einsehen bzw. darin einstellen darf. Das elektronische Zahnbonusheft wird ab dem 1. Januar 2022 als Bestandteil der ePA verfügbar sein.
Spätestens zum 1. Juli 2021 müssen alle Arzt- und Zahnarztpraxen die ePA-Unterstützung ihrer Praxis gegenüber der zuständigen KZV nachweisen; andernfalls droht gemäß gesetzlicher Vorgabe ein Honorarabzug von 1 % (soweit nicht bereits wegen der Nichtdurchführung des VSDM ein Honorarabzug erfolgt).
Elektronisches Rezept (E-Rezept)
Vom 1. Januar 2022 an müssen Zahnarztpraxen apothekenpflichtige Arzneimittel ausschließlich elektronisch verordnen. Das Muster 16-Formular wird dabei grundsätzlich durch das E-Rezept ersetzt und kann nur noch in Einzelfällen, beispielsweise bei technischen Störungen, verwendet werden. Das E-Rezept wird verschlüsselt auf einem zentralen Dienst in der Telematikinfrastruktur gespeichert. Der Zugriff auf das E-Rezept erfolgt für Apotheken über ein sog. (Zugriffs-)Token, welches Versicherte ihrer Apotheke entweder digital übermitteln oder über ihr Smartphone als 2D-Code zur Verfügung stellen können. Versicherte ohne Smartphone können auf Wunsch einen Papierausdruck mit dem Token erhalten.
Elektronische Patientenkurzakte
Nach der gesetzgeberischen Konzeption sollen ab dem 1. Juli 2023 verschiedene Informationen (beispielsweise Notfalldaten) in eine elektronische Patientenkurzakte überführt werden, mittels derer insbesondere ein grenzüberschreitender Austausch von Gesundheitsdaten zum Zweck der Unterstützung einer konkreten Behandlung von Versicherten in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union ermöglicht werden soll.
Fortlaufend aktualisierte Informationen zur Telematikinfrastruktur sowie ihren Anwendungen sind auf den Internetseiten der gematik GmbH unter https://www.gematik.de/ sowie der KZBV unter https://www.kzbv.de/telematik-und-it.60.de.html verfügbar.
Die Internetseite der KZBV enthält darüber hinaus mehrere Leitfäden, die speziell auf die Gegebenheiten und Anwendungsfälle in Zahnarztpraxen zugeschnitten sind und einen Überblick über die notwendige technische Ausstattung und die Finanzierung erhalten. Ebenda finden sich auch nützliche Tipps, Hinweise und Checklisten, die zum Einstieg Hilfestellung bieten.